24-Stunden-Rennen am Nürburgring – Powerdaten vom 2PEAK Vierer
Exklusiver Einblick in eine besondere Disziplin: Wie teilt man sich ein 24 Stunden-Rennen am besten ein? Wie hart kann man fahren, ohne dabei kaputt zu gehen? Die Powerdaten des 2PEAK Vierers geben die Antworten
Ein 24h-Rennen im Vierer ist eine Belastungsform, die sich fundamental von einem normalen Marathon unterscheidet, denn man hat nach jedem Einsatz Erholungszeiten. Wie schnell aber kann man sich erholen? Woran orientiert man sich am besten und welchen Wechselrhythmus wählt man?
Der einzige erfahrene 24h-Rennfahrer im 2PEAK Team ist Cross-Spezialist Elmar Schrauth. Sein Rat an die drei Rookies Robert Baust, Phil Saussus und Robert Kühnen: „Mitten in der Nacht, also zwischen Mitternacht und sechs Uhr morgens, wenn der Körper am stärksten nach Erholung verlangt, sollte jeder etwas Schlaf finden, deshalb sollten dort die Wechsel langsamer stattfinden und jeder einmal zwei Runden am Stück fahren." Diese Taktik wurde von zahlreichen anderen Teams ebenfalls empfohlen. Aber ist dies wirklich die beste Taktik?
Bevor es an die Details geht, hier noch ein paar Fakten: Der Nürburgring hat eine Länge von 25,15 Kilometer, wenn wie 2010 Grand Prix-Kurs und Nordschleife als Kombination gefahren werden. Solch eine Runde dauert für die schnellsten Fahrer (32 Runden gesamt) dann im Schnitt 45 Minuten (33,5 km/h Schnitt), dabei sind über 500 Höhenmeter zu überwinden.
Die Kunst des „langsamen" Starts
Der Massenstart von 660 Teams und die Atmosphäre des Rennkurses motivieren ungemein. Sich in der Startrunde zurückzuhalten, wie es alte Hasen empfehlen, ist daher sehr schwierig. Elmar warnte die Kameraden: „In den ersten Runden sind schon viele auf dem Ring verglüht". Startfahrer Robert Kühnen gelingt es mit den warnenden Worten im Ohr, nicht gleich in der ersten Runde alle Körner zu investieren, wie sein SRM-Schrieb verrät. Die Powerpeaks sind zwar zahlreicher und höher als später im Rennen, aber wenigstens die Durchschnittsleistung liegt einige Watt unter dem Schnitt, den er in den folgenden Runden fährt.
Abbildung: Die schnellste Runde ist die erste. Die Geschwindigkeit (violett) schwankt wegen des welligen Streckenprofils stark, die Leistung (grün) folgt ebenfalls der Topographie. Die 250 Höhenmeter zur Hohen Acht, der höchsten Stelle des Kurses, sind der zentrale Anstieg – hier markiert als Intervall. Innerhalb dieser Steigung gibt es kurze Abfahrten. Zum Ende geht es mit bis zu 18 Prozent steil zur Sache: trotz der Spezial-Übersetzung von 39/32 (SRAM Apex-Kassette) sind bis zu 380 W bei 67 U/min zu treten. Berggänge sind Pflicht am Ring! Roberts Kletter-Drehzahl liegt im Mittel bei flüssigen 86 U/min
Power und Tempo, das zeigt die Startrunde ebenfalls, sind aber nicht dasselbe. Im Startgewühl bilden sich mehr Gruppen was letztlich zum schnellsten Rundenschnitt verhilft, den das Team in 24 Stunden fahren wird: 34,6 km/h.
Damit zeigt sich ein erster spannender Effekt: Trotzt des enorm welligen bis bergigen Profils lässt sich durch Windschattenfahren viel Zeit sparen. Auch die späteren Runden zeigen: Bis zu drei Minuten liegen zwischen Runden mit guten Gruppen und solchen ohne nennenswerten Windschatten bei gleicher Leistung. Nur: eine passende Gruppe ist keineswegs leicht zu finden, denn Leistung, Fahrkönnen und Fahrstil müssen schon ziemlich gut harmonieren, um auf dem Ring gemeinsam kreiseln zu können. Es bilden sich im Verlauf des Rennens daher eher abschnittsweise kleine Gruppen von wenigen Fahrern – Zweckgemeinschaften auf Zeit, speziell auf den langen Geraden nach der Hohen Acht. Ein großes Feld kreist nicht am Ring, obwohl bis zu Tausend Fahrer gleichzeitig auf der Strecke sind.
Nachts kommt der Mann mit dem Hammer
Robert erzielt seine höchste Durchschnittsleistung (283 Watt) in der dritten Runde, die in die frühen Abendstunden fällt: „Hitze liegt mir nicht, es ging mir viel besser, als das Thermometer von über 30 Grad in den ersten Runden auf unter 20 Grad fiel, ich konnte dann viel befreiter treten", so der 2PEAK Gründer. Bis auf eine Delle in der zweiten Nachtrunde sowie der letzten Runde ist seine Leistung relativ konstant über die sieben Einsätze.
Robert „Rob" Baust, erfahrener Langstreckentriathlet und mehrfacher Hawaii-Finisher, hat kein Problem mit Hitze. Rob fährt dosiert los und realisiert dann extrem konstante Leistungen und Rundenzeiten, wie man es von einem Langstreckenspezialisten erwarten kann. Wie ein Uhrwerk spult Rob 250 Watt Runden ab. Die Leistung fällt - wie bei allen anderen Mitstreitern – nur in der Nachtschicht mit der doppelten Runde sowie in der letzten Runde ab.
Phil, dritter Fahrer des Teams, startet weniger verhalten, wie seine PowerTap-Daten zeigen. Jede Menge Peaks im Spitzenbereich führen zu einer Super-Rundenzeit und einem hohen Leistungsschnitt von knapp 300 W, der höchsten Runden-Leistung des 2PEAK Vierers – der Effektivwert, der ein besseres Maß für die wahre Belastung liefert, liegt sogar bei 330 W. Das ist reichlich zu Beginn eines 24h-Rennens und ein Spitzenwert für einen 49jährigen. Phil büßt in der Folge aber auch für seinen schnellen Ritt, die Rundenzeiten lassen sukzessive nach bis sie in der Nacht zwischen zwei und halb vier ihren Tiefpunkt erreichen. Nach ein wenig Schlaf kann Phil dann jedoch wieder etwas aufdrehen, kommt aber nicht mehr an die Leistungen des Vortages heran.
Elmar fährt ohne Powermeter. Nur die Zeiten erlauben Rückschlüsse und zeigen folgendes Muster: Elmar ist konstant zu Beginn, erleidet dann aber einen Durchhänger in der Nacht, vor allem in der zweiten Nachtrunde. Danach erreicht er sein Ausgangsniveau nicht mehr.
Abbildung: Die 2PEAK Analyse von Phils erster Runde zeigt viele Anteile im Spitzenbereich (rot)- hier 10 Minuten insgesamt. Das setzt der Muskulatur zu. Ziel ist es, die Belastungen im Spitzenbereich so kurz wie möglich zu halten und vor allem den verträglicheren Entwicklungsbereich (hier 20 min gesamt) weiter auszuschöpfen.
Alle Fahrer des Teams eint also die Delle in der Nacht, die, auch das wenig überraschend, umso ausgeprägter scheint, je schneller die erste Runde der Doppelschicht angegangen wurde. Vor allem Robert ist viel zu optimistisch gestartet und trifft den „Mann mit dem Hammer" in der zweiten Runde. Der Biorhythmus bremst aber generell alle, die mitten in der normalen Tiefschlafphase zur Doppelschicht starten. Dies ist die härteste Zeit bei 24h-Rennen, wie ein Blick in die Ergebnislisten zeigt. Auch die Spitzenteams werden in dieser Phase langsamer. Der Körper ist bereits angezählt und will Schlaf und trotzdem heißt es heizen..
Abbildung: Dokument der Ermüdung - die Grafik zeigt die Verteilung der Leistung in Roberts fünfter (oben) und zweiter Runde (unten). Das Leistungsspektrum ist in der nächtlichen Doppelrunde sehr deutlich nach links verschoben. Jenseits der 300 W geht in der Nacht nichts mehr, wohingegen auf „normalen" Runden dort der Leistungs-Schwerpunkt erst beginnt.
Abbildung: Die Durchschnittsleistung der drei Powermeter-Fahrer pro Runde. In der nächtlichen Doppelschicht (4 und 5) geht die Leistung bei allen deutlich zurück. Wer nicht überzockt, kann sich in gut 2 Stunden soweit erholen, dass wieder die gleiche Leistung abrufbar ist wie in der Vorrunde. Ein zu schneller Start hingegen wird bestraft. Wenn die Beine einmal richtig leer sind, ist keine vollständige Erholung mehr möglich.
Abbildung: Die Fahrt von Robert aufgesplittet nach Anteilen der Trainingsbereiche (inklusive Ein- und Ausfahren). Relevant sind vor allem Entwicklungs-(gelb) und Spitzenbereich (rot), die zusammen fast die Hälfte der Renndistanz ausmachen.
Im Temporausch
Die schnellen Abfahrten des Rings, das zeigen die Daten, sind auch im Dunkeln recht schnell zu meistern. Nur rund 30 Sekunden versacken in der Schwärze der nächtlichen Abfahrten. In der Fuchsröhre, der schnellsten Passage des Kurses, kommt das 2PEAK Team am Tag auf maximal 95 km/h, in der Nacht nur auf 85 km/h. Hinzu kommen einige Hochgeschwindigkeitskurven, die im Hellen ohne Bremsen zu meistern sind, im Dunkeln aber etwas vorsichtiger angefahren wurden. Besonders aerodynamische Fahrer knacken in der Fuchsröhre sogar die 100 km/h.
Ein genauerer Blick in die Powerkurven enthüllt weitere Details: Der Fahrstil macht einen großen Unterschied. Auf dem Nürburgring kommt es darauf an, die Geschwindigkeit mit durch die Kurven und über Kuppen zu nehmen. Dazu ist es hilfreich, rechtzeitig nach Senken mit einem großen Gang nachzuhelfen, um die zahlreichen Gegenanstiege ohne kraftzehrende Leistungspeaks zu meistern. So finden sich in Roberts Daten Passagen mit 140er Trittfrequenz bei einer Übersetzung von 53/11, um aus der Kompression heraus das Tempo zu halten. Der Vergleich der Powerdaten zeigt, dass rund zwei Minuten pro Runde durch ökonomische Fahrweise herauszuholen sind – bei gleicher Durchschnittsleistung. Das heißt viel Schalten und den Schwung nutzen ohne zu überdrehen, denn die Leistungsspitzen sind Gift für die Muskulatur. Klarer Vorteil für Powermeter-Fahrer mit Erfahrung, die an den kritischen Stellen die Anzeige im Auge behalten! Tipp: Man muss sich zwingen, immer zu schalten und gleichmäßig weiter zu treten – bergauf und bergab.
FAZIT
Am Ende landet der 2PEAK Vierer mit halbwegs harmonischer Mannschaftsleistung auf Platz 31 (Rang 11 Mastersklasse). Die Daten zeigen, dass man in einem 24h-Vierer dauerhaft den Entwicklungsbereich als Zielzone für die Leistung benutzen kann. Das Konzept der nächtlichen Doppelschicht ist jedoch in Frage zu stellen. Der Leistungsrückgang in der zweiten Runde ist enorm. Zum Gegenbeweis, dass gleichmäßige Wechsel besser sind, fehlen allerdings Daten. Vielleicht können wir diesen Beweis 2011 antreten.
Trainingstipps
Grundlage
Ein gute Grundlage ist die Basis hoher Dauerleistung. Dies setzt kontinuierliches Training voraus. Die Umfänge müssen dazu nicht riesig sein. Mit 8-9 Wochenstunden regelmäßigem Training und planvollem Vorgehen sind Leistungen wie hier gezeigt machbar.
Tempofestigkeit
Das Renntempo spielt sich im Schwellenbereich ab – oberhalb des Niveaus, was bei Marathons angeschlagen wird. Entsprechend sind Intervalltrainings in diesem Bereich hilfreich. Bis zu zwei Stunden im Entwicklungsbereich finden sich in den Powerdaten.
Spitzenbereich
Auf dem Ring mit seinem giftigen Streckenprofil gibt es viele Gelegenheiten, in den roten Bereich zu gehen. Eine Toleranz gegenüber häufigen Spitzenbelastungen ist daher notwendig, denn die Gesamtzeit im SB kann sich auf eine Stunde aufsummieren. Als Training bieten sich wiederholte harte Intervalle an kurzen Steigungen an.
Tipps fürs Rennen
+ Möglichst gleichmäßig fahren, viel schalten
+ Spitzenbereich so gut es geht meiden
+ Windschatten nutzen
+ Warmfahren und Ausfahren (Rolle)
+ Nach jeder Runde essen und trinken
+ Wechsel nach jeder Runde
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